Finnegans Fake
Das Projekt, den Finnegans Wake von James Joyce vollständig abzuschreiben, habe ich 1994 begonnen.
Auf die vier grundierten und mit Schellack überzogenen Paravent-Tafeln sollen die 628 Seiten des Buches in Form der Bucht von Dublin übertragen werden. Dazu habe ich eine Landkarte aus der Lackierung herausgeschliffen und schreibe möglichst täglich eine Stunde in den Kreidegrund, der den Tuschestift (isograph, 0,13 mm) nach einigen Worten verstopft.
Beim Abstreifen der Kreide entstehen Schmierblätter, von denen einige hier zu sehen sind. Sie erscheinen nach Abschluß oder Scheitern der Arbeit als Buch.
Ich kann Finnegans Wake nicht lesen, ich kann es nur abschreiben.
Am Ende ist das Buch auf einen Blick zu sehen “and your liber as they sea” (FW 234.30) — durch die Form der Übertragung stellt es sich selbst dar. Der Bezug zwischen Buch, Tafel und Landkarte in der Abschrift ist im voraus festgelegt, das Bild dieser Funktion ist jedoch nicht vorherzusehen.
Plan der Abschrift
Abschrift — Topographie
- “Here, weir, reach, island, bridge” (Finnegans Wake, Seite 626, Zeile 07 = FW 626.07), Abgesang des Flusses Liffey als Beginn der Abschrift (auf der durchgepausten Landkarte beim Wehr von Islandbridge oberhalb von Dublin).
- Dublins Hafen und Liffeymündung als Becken der Schrift und Thema des Buches.
- Idealisierte Hafenströmung (Karman´sche Wirbelstraße, strömungsphysikalische Grundform) als Form der Abschrift im Hafenbereich.
Selbstdarstellung des Textes in Abhängigkeit von der Topographie und der Wirbelstraße: nach jedem Absatz (der als eine Zeile geschrieben wird) beginnt die nächste Zeile links an der Küste. Sie legt sich genau an die vorhergehende Zeilenwelle an.
Abschrift — Tafel
- 628 Seiten Text sollen vollständig und fehlerlos auf die vorgegebene Fläche der Tafel.
- Dazu An- und Abschwellen der Schrift um den Raum auszufüllen (eigene Gezeiten aus Angst vor dem Scheitern und Übermut) (“and wait till the tide stops” FW 170.06)
- Tafelrand statt Küste als Ansatz der Zeilen im unteren Teil.
- Umspielen der 3 Spalten und 4 Scharnierauslassungen im Schriftbereich.
Abschrift — Inhalt
- Der FW ist ein Abschreibprojekt von Joyce und seinen Sekretären oder Setzern, deren Fehler bewußt ein Teil des Werkes werden (“calling unnecessary attention to errors, omissions, repetitions and misalignments” FW 120.15).
- Text als Bild (“word painter” FW 87.13) / Text als Notation / Stil als Ziel von Joyce beabsichtigt.
- Book of Kells (irische Miniaturornamente und Handschrift des 8. Jh.) in FW direkt zitiert (z.B. FW 119f). Der Stil des FW-Manuskripts (Farbigkeit und Verschlungenheit) ähnelt den alten irischen Evangeliaren, ihr Inhalt und ihre Form sind Thema.
- Buch als Körper — Abschrift in 9 Monaten / Liffeysong in Liffeyform / Textfluß als Strömung / Die Ufer bleiben: “Amnis Limina Permanent” (FW 153.02)
- 4 Tafeln (“in four tubbloids” FW 219.17) / 4 Kapitel / 4 Zeitalter Vicos (“vicus of recirculation” FW 03.13; 241)
Weitere inhaltlichen Bezüge sind offen, hier weggelassen oder noch nicht vorherzusehen.
Lügen
1 Diese Abschrift wurde in neun Monaten ausgeführt.
2 Sie ist fehlerlos, kein Jota ging verloren.